Bregenz ist „Oper für alle“! Exklusiv-Interview mit Philipp Stölzl, Regisseur und Bühnenbildner von „Rigoletto“ am See

Der Münchner Philipp Stölzl (51) wird im Sommer 2019 in mehrfacher Hinsicht Herr über die Seebühne der Bregenzer Festspiele sein. Bei der Produktion der Oper „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi führt er Regie und ist mitverantwortlich für Bühnenbild und Light Design.

Text Prof. Fritz Jurmann  Fotos Bregenzer Festspiele Lisa Mathis  Foto- und Textredaktion agenturengel  Published nobleSee 09, 2019

Stölzl arbeitet zwar zum ersten Mal in Bregenz, ist aber den Umgang mit gewaltigen Dimensionen gewohnt. Er machte sich ab 1997 als Regisseur von Musikvideos für Rammstein, Madonna und Die Toten Hosen einen Namen, bevor er mit Spielfilmen wie „Nordwand“, „Goethe!“ und „Der Medicus“ für Aufsehen sorgte. Als Opernregisseur inszenierte der gelernte Bühnenbildner Wagners „Rienzi“ und „Parsifal“ an der Deutschen Oper Berlin, Leoncavallos „Bajazzo“ bei den Salzburger Festspielen sowie Verdis „Troubadour“ am Theater an der Wien.

Wie groß war Ihr Respekt vor dieser Aufgabe, als Sie das Angebot für Bregenz erhalten haben?

Ich hab mich erst mal wahnsinnig gefreut, weil ich – ganz ehrlich – schon als ganz junger Bühnenbildner mit Anfang 20 davon geträumt habe, einmal auf der Seebühne gestalten zu dürfen. Im Nachklang kam sofort der Respekt: Wie wird man dem Spiel auf dem See, wo schon so viel Grandioses stattgefunden hat, überhaupt kreativ gerecht?

Sie haben bereits Pop-Videos und Filme mit Breitenwirkung gemacht, auch Wagner und Verdi im Haus inszeniert. Wird es von Ihnen auch bei diesem Open Air nun „großes Kino“ geben?

Ich liebe das Populäre sehr, beim Kino wie bei der Oper, ich finde es einfach sehr schön, wenn eine Erzählung breit emotional verstanden wird. Bregenz ist „Oper für alle“, das finde ich toll!

Verdis „Rigoletto“ wurde von der Festspielleitung ausgesucht, Sie sollen das umsetzen. Ist dieses intime Werk ohne große Chorszenen überhaupt für den See geeignet?

Eine der schönsten Aufführungen am See war die „Tosca“, das ist ja auch ein total intimes Stück. Ein großer Chor macht nicht zwangsläufig große Oper, es sind vielmehr die Emotionen, die groß sein müssen.

Wie schwer ist es, einem so gängigen und viel gespielten Werk mit komplexer Handlung eine persönliche Deutung zu geben, also ein schlüssiges Konzept zu entwickeln?

Das ist schwer und leicht gleichermaßen. Schwer ist, dass es schon so viel starke Deutungen gibt und man trotzdem etwas Eigenständiges schaffen will. Auf der anderen Seite gehört „Rigoletto“ zu den unzerstörbaren Reißern des Repertoires, mit großartiger Musik – aber auch mit sehr starken und mehrschichtigen Figuren und dem spannenden Kolportage-Plot, der es schafft, komische, romantische und ganz grausige Momente miteinander zu verbinden. Das macht das Konzipieren leicht und vergnüglich, weil man auf einem supersoliden Fundament baut.

Wenn man in solch riesigen Dimensionen inszeniert, da muss man sicher den „groben Pinsel“ auspacken, also die Überhöhung gewisser Dinge zum Prinzip machen, um auf die Distanz Wirkung zu erzielen und die Leute bei Laune zu halten?

„Grob“ wird das Ganze hoffentlich nicht! Aber es macht sicher keinen Sinn, bei diesen Distanzen auf psychologisch feines Spiel in der Mimik zu setzen. Die Emotion muss da in den ganzen Körper rein! Dass der „Rigoletto“ auch Commedia dell‘arte-Elemente hat und Verdi sowieso schon von der Musik her sehr ausgestellt erzählt, hilft dabei sicher.

In Zeiten des modernen Regietheaters mit Opernregisseuren, die oft nicht einmal mehr Noten lesen können und gegen die Musik inszenieren, muss ich Sie das fragen: Wie wichtig ist Ihnen bei dieser Oper die Musik?

Ich glaube ehrlich gesagt, das mit dem „Nicht-Noten-lesen-Können“ ist ein bisschen ein Klischee von Leuten, die sich über zu „moderne“ Interpretationen in der Oper ärgern. Ich finde es eigentlich schön, dass es so verschiedene Lesarten gibt. In meiner eigenen Arbeit mag ich allerdings klassisches Erzählen und komme immer ganz stark von der Musik und ihren Farben her, weil sie für mich das absolut bestimmende Element in der Oper ist. Wenn Bilder und Erzählung nicht unmittelbar mit der Musik einen Dialog führen, entsteht für mich keine theatralische „Chemie“.

Sie haben bei der Pressekonferenz gesagt, Verdi würde Popmusik schreiben – eine interessante Ansicht!

Verdi ist sicher der erfolgreichste Musiker seiner Zeit gewesen und viele seiner Arien wurden Hits, die die Leute am Fischmarkt nachgepfiffen haben. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Populär-Musiker“.

Sie sind mit für das Bühnenbild verantwortlich, die Handlung spielt im Zirkusmilieu. Worin besteht für Sie nun die Verbindung von Rigoletto, einem Hofnarren des 16. Jahrhunderts, zum karnevalesken Zirkus?

Das Tolle an „Rigoletto“ ist, dass das Stück eigentlich gar keine zeitliche und örtliche Verortung braucht – so wie bei Shakespeare kann man im historischen Kostüm spielen oder in Jeans, es geht alles. Verdi hat damit, wie bei der Vorlage von Victor Hugo, den französischen Hof gemeint, musste es aber auf Druck der Zensur ins 16. Jahrhundert und nach Italien verlegen. Wir haben für das Werk eine verrückte, farbige, akrobatische Welt erschaffen, eine Collage, in der es auch viele Zirkuselemente gibt; es ist aber kein „Milieu“, sondern eine Kunstwelt.

In welcher Stimmung sollte das Publikum am Ende dieser tragisch-schaurigen Geschichte, wenn sich der Fluch erfüllt hat, die Tribüne verlassen?

Wenn alles klappt, hat das Publikum dann gestaunt, hat in wundervoller Musik geschwelgt, war gerührt, hat gelacht und sich gefürchtet. Einmal alles eben.

Lieben Sie das Wasser, können Sie schwimmen?

Ich bin im Sternzeichen Krebs und liebe das Wasser! Schwimmen, Segeln, alles total meins.

Wir danken für das Gespräch.

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