Wohnen sollte glücklich machen

Wer bauen will, muss einen Konsens finden – und manchmal sogar Dinge ergründen, die weder gesagt noch geschrieben sind. Seit 1994 ist Roland Pircher Geschäftsführer der Bauart Bauträger GmbH. Gegründet in Feldkirch, heute in Lochau am Bodensee zuhause. Seine Vorarlberger Wohnbauten sind nicht nur Vorreiter in puncto Raumaufteilung. Sie fördern zudem die Gesundheit.

 

Text Norman Kietzmann  Fotos Darko Todorovic, Bauart, Bruno Klomfar, Markus Gmeiner  Foto Art Direktion Eva Engel  Foto- und Textredaktion agenturengel  Published tRAUM 01, 2014

 

Bauen ist weit mehr als Architektur. Es geht darum, zwischen einer Vielzahl an Interessen eine Einigung zu erzielen. Ganz gleich um welche Art von Projekt es sich dabei handelt: „Es ist wichtig, einen Vorschlag nicht mit dem Brecheisen durchzubringen, sondern zuallererst die Parameter zu ergründen, aus denen heraus etwas entwickelt werden kann“, sagt Roland Pircher. Seit mehr als 30 Jahren baut er hochwertige Wohnanlagen, Hotels und Gewerbebauten in Vorarlberg und gründete 1994 die Bauart Bauträger GmbH in Feldkirch, mit heutigem Sitz in Lochau. Weil Bauen in seinen Augen über das Schaffen von Bruttogeschossflächen hinausgeht, muss mehr als nur der kleinste gemeinsame Nenner erzielt werden. „Das ist dasselbe wie beim Mischen von Farben: Wenn jeder Beteiligte seine Lieblingsfarbe hineingibt, kommt zum Schluss nur Grau heraus“, ist der Unternehmer überzeugt. Damit ein Projekt gelingt, muss vor allem die Richtung stimmen. Nur dann können in den Details die nötigen Kompromisse geschlossen werden, ohne gleich das ganze Vorhaben zu zerreden.

 

Bündelung von Interessen

Wie umfangreich die Gruppe der Interessenvertreter sein kann, zeigte das Projekt Am Kaiserstrand in Lochau. Neben dem Umbau einer Kaserne in ein modernes Vier-Sterne-Hotel wurden ebenso vier Wohnbauten sowie ein Badehaus nach Entwürfen der Bregenzer Architekten Lang+Schwärzler realisiert. Ganze 52 Beamte, Fachplaner und drei Nachbarn waren bei der Baubegehung zugegen. Doch das Aufgebot an Repräsentanten hatte durchaus seine Bewandtnis. Schließlich musste eigens die Verwaltungsgrenze zwischen Lochau und Bregenz verschoben werden, damit diese nicht mitten durch die geplanten Wohnungen hindurch verläuft. „Ein Projekt kann sich nur dann positiv entwickeln, wenn viele Leute daran ein Interesse haben“, sagt Roland Pircher. Anstelle einer Mononutzung durch Eigentumswohnungen ist eine lebendige Mischung aus Hotel, Gastronomie, Freizeit, Wohnen und Arbeiten entstanden.

 

Erholung in der dritten Haut

Seine eigenen Wege beschritt Roland Pircher bereits in den achtziger Jahren, als er mit dem Bau von ersten Solarhäusern begann. Er veröffentlichte das Buch „Die Evolution des Wohnens“. Worum es ihm ging, war neben der Ersparnis von Energie vor allem eines: ein gesundes Wohnen. „Wenn die Kleidung unsere zweite Haut ist, dann ist die dritte unser Haus. Sie sollte atmen können und ein gutes Klima haben“, ist Roland Pircher noch heute überzeugt. Über einen Zeitraum von 15 Jahren hatte er in zahlreichen Veröffentlichungen und mehreren Forschungsprojekten Lösungen und Auswirkungen eines guten Raumklimas untersucht und dieses Wissen sukzessive in seine eigenen Bauprojekte miteinfließen lassen. „Warum sind im Sommer Erkältungskrankheiten so selten? Weil wir keine ausgetrockneten Schleimhäute haben, an denen wir von Bakterien und Viren angegriffen werden können“, erklärt Roland Pircher. Die Zukunft des Wohnbaus sieht er in einer grünen Lunge, die unmittelbar in den Wohnraum integriert ist. Da die Mischung aus Pflanzen und Erde die klimatischen Verhältnisse im Wohnraum tatsächlich verbessern kann, verwendet er anstelle von Wintergarten lieber den Begriff „Klimagarten“. Schließlich wird die Raumluft nicht nur mit Sauerstoff und Feuchtigkeit angereichert, sondern ebenso gereinigt. Roland Pircher integriert mit seinem Team aus Architekten und Spezialisten den Klimagarten einfach in den Wohnbereich. Die übliche bauliche Trennung entfällt.

 

Natur statt Technik

„Technische Lösungen sind im Grunde der falsche Weg, weil diese anfällig sind und meistens falsch bedient werden. Wir setzen daher verstärkt auf natürliche Lösungen, die selbst nach Jahrzehnten wartungsfrei funktionieren“, erklärt Roland Pircher. Die hochtechnologischen Wohnungen, die in den vergangenen Jahren gebaut worden sind, werden sich in seinen Augen in eine neue Richtung entwickeln. „Wir müssen an dieser Stelle weiterdenken und alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte einfließen lassen. Das haben auch die anderen Bauträger gemerkt, mit denen ich in einem Ausschuss der Vorarlberger Wirtschaftskammer sitze“, erklärt der Unternehmer, der selbst in einem von ihm geplanten Wohnhaus lebt. Während der Einsatz von Technik in Zukunft neu überdacht werden soll, verlagert sich die Innovation immer stärker in den Bereich der Materialität. Schon heute stehen Gläser bereit, die sich wie Sonnenbrillen bei zunehmender Lichtintensität abdunkeln, gleichzeitig hochisolierend wirken und dabei sogar noch Energie erzeugen. Um die Entwicklung hochtechnologischer Werkstoffe zu forcieren, die nach den Naturgesetzen arbeiten, hat Roland Pircher die Gründung der ersten Privatuniversit.t in Vorarlberg initiiert. Neben der Lehre und Forschung über zukünftige Lebensräume sollen auf der „Scientia Universität“ auch konkrete materialorientierte Lösungen entwickelt werden. Die Pläne, den Campus auf dem früheren Rupp-Areal in Lochau zu realisieren, sind 2012 zwar gescheitert. Doch dafür soll das Projekt an einem anderen Standort in der Region in den kommenden Jahren entwickelt werden.

 

Die Definition von Freiräumen

Einfluss auf die Wohnqualität nehmen keineswegs nur die klimatischen Verhältnisse, sondern ebenso die Grundrisse. „Bei vielen Wohnungen muss man oft erst an allen Schlafzimmern vorbeigehen, um ins Wohnzimmer zu gelangen. Das ist oft schlecht organisiert“, sagt Architekt Karl Schwärzler, der seit 2004 mit Roland Pircher an zahlreichen Bauprojekten zusammenarbeitet. Entscheidend sei vielmehr die Einrichtung einer durchgehenden Verkehrszone aus Eingang, Wohnraum, Küche und Gäste-WC, die klar von den Schlafbereichen getrennt ist. „Wir waren der erste Bauträger in der Region, der dieses Konzept umgesetzt hat und gehören bis heute zu den wenigen, die das praktizieren“, erklärt Roland Pircher. Vorreiter war er ebenso bei der Ausstattung der sanitären Einrichtungen, als selbst bei kleinen Wohnungen Badezimmer und WC in separate Räume unterteilt wurden. „Das war vor 10, 15 Jahren noch überhaupt kein Thema“, macht der Bauart-Gründer deutlich. Ein Schwerpunkt bei der Planung von Wohnbauten ist das gestiegene Bedürfnis nach Intimität. Haben vor einhundert Jahren noch ganze Familien auf engstem Raum zusammengelebt, hat sich der Mensch an den Zugewinn an Platz nicht nur längst gewöhnt. In Zeiten zunehmender Vernetzung und hoher Mobilität wird der Wohnraum verstärkt als Rückzugsort des Privaten verstanden, sodass Ruhe und Privatsphäre besonderen Vorrang genießen. Wie ein Versöhnungsangebot zwischen Hausbewohnern wirken die als Abstellräume gestalteten Abtrennungen mit denen Roland Pircher die Terrassen seiner Wohnbauten ausstatten ließ. Selbst wer bis an das Geländer hinaustritt, erhält nicht das Gefühl, jemanden zu stören oder selbst beobachtet zu werden, während akustische Signale wirkungsvoll herausgefiltert werden.

 

Langfristige Perspektive

Damit der Wohlfühlfaktor gelingt, ist ein weiterer Aspekt von Bedeutung: „Das Wichtigste bei jedem Architekturentwurf ist immer der Außenraum. Viele vergessen das und schauen nur auf die Gebäude“, sagt Roland Pircher. Eine logische Haltung: Schließlich wird schon im Bebauungsplan festgelegt, wie viel Licht, Luft und Grün den künftigen Bewohnern zur Verfügung steht. Die Kubatur eines Neubaus nimmt damit nicht nur unmittelbaren Einfluss auf die Lebensqualität. Sie erhält auch eine zeitlich deutlich weiter gefasste Dimension. „Das Einzige, was auf Dauer Bestand hat, ist der Außenraum. Wenn die Gebäude nach einhundert Jahren abgerissen werden, wird der Außenraum bleiben und mit einem ähnlichen Volumen wiederaufgebaut“, erklärt Roland, Pircher. Zu bauen bedeutet für ihn mehr, als Angebote für heute zu schaffen. Worum es geht, sind Lösungen, die auch in Zukunft Bestand haben.

 

 

Im kleinen Team wird Großes erschaffen

Roland Pircher umgibt sich gerne mit sorgfältig ausgewählten Persönlichkeiten. Mit den beiden Immobilientreuhänderinnen Carmen Niederacher-Ferraton und Katharina Brenner arbeitet er seit über 5 Jahren erfolgreich im gemeinsamen Büro. Das vierte Teammitglied, Alexandra Schertler, pausiert derzeit und widmet sich ganz ihrer Familie. „Wir sind stolz darauf, in der kleinsten möglichen Einheit wirklich beachtliche Leistungen zu vollbringen und investieren all unser Wissen und Können, all unsere Erfahrung in unser Unternehmen.“ Von enormer Wichtigkeit ist für Roland Pircher, dass alle Aufgaben vernetzt ausgeführt werden und dass jedes Teammitglied jederzeit in die Rolle des anderen schlüpfen kann, um auch spontan eine Stellvertretung zu erfüllen.

 

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