Eine Frau macht Dampf Mit Talent und Leidenschaft an der Maschine

„Tschb-tschb-tschb”, macht die Maschine. Conny Simma kontrolliert die golden glänzenden Messingvasen, füllt Maschinenöl nach, reguliert den Dampf, beobachtet das Hin und Her der Kolbenstangen, das Auf und Ab der wuchtigen Pleuel, das Vor und Zurück der Kurbelwelle, das Gestänge für die Ventile. Sie dreht, putzt, schraubt und poliert, beherrscht 950 PS, generiert durch vier Tonnen Dampf pro Stunde, während die neunschaufeligen Räder mit 40 Umdrehungen pro Minute durchs Wasser drehen. Digitale Anzeige gibt es keine. Keine Warnlampen. Kein automatisches Abschalten.

Text Irmgard Kramer  Fotos Michael Häfner, Hohentwiel Archiv  Foto- und Textredaktion agenturengel  Published nobleSee 10, 2020

Die Maschine arbeitet wie ein lebendiger Organismus, dem man von außen nicht ansieht, wenn es im Inneren nicht rund läuft. Aber Conny Simma beobachtet, lauscht und reagiert sensibel auf jedes Geräusch. Klopft es irgendwo? Schmatzt das Lager? Das würde bedeuten, dass es zu viel Spiel hat, wie wenn Füße in zu großen Schuhen durch Matsch waten.

Anpacken und rumschrauben

Sie wächst mit drei Geschwistern in Alberschwende auf einem Bauernhof auf. Ihre Mutter ist gelernte Tischlerin und musste sich auch in einer Männerdomäne durchsetzen. Zuhause wird alles selbst repariert. Conny und ihr Zwillingsbruder flitzen erst mit einem Quad über die Wiesen, später mit dem alten Fiat Panda „Fred” ihrer Mutter. Die Zwillinge legen sich Crossmaschinen zu, zerlegen und reparieren sie. Bei der häuslichen Arbeit verzichten sie lieber auf die Hilfe von Maschinen, mähen das Gras mit der Sense und ziehen das Holz mit dem Pferd aus dem steilen Wald wie vor hundert Jahren.

Conny beginnt eine vierjährige Ausbildung zur Maschinenbau- und Automatisierungstechnikerin und ist die einzige Frau während der Lehre und in der Abteilung für Instandhaltung und Wartung von Hydraulik-Press- und Stanzmaschinen. In dem großen Industriebetrieb fühlt sie sich wie ein Rädchen in einem Getriebe – ist die Schicht zu Ende, kommt der nächste und macht weiter. Als sie liest, dass auf der Hohentwiel eine Maschinistin gesucht wird, weiß sie sofort, dass das eine einmalige Chance ist.

Voller Einsatz für schöne Momente

Hohentwiel Druckmesser

© Archiv Hohentwiel

„Wir hatten etliche Bewerber, die sich eher gelangweilt durchs Schiff führen ließen”, erzählt Maschinist Christian Hämmerle, der seit 1997 mit an Bord ist. „Als Conny die Dampfmaschine zum ersten Mal sah, strahlte sie übers ganze Gesicht und wir wussten, dass sie zu uns gehört. Begeisterung ist die erste Voraussetzung, um diese Arbeit zu machen. Sie versteht etwas von Technik, bringt Herz, Leidenschaft und neue Energie an Bord – was nicht nur daran liegt, dass sie eine Frau ist, sondern weil sie zur nächsten Generation gehört. Wir anderen haben hier alle etwa zur gleichen Zeit angefangen und sind in einem ähnlichen Alter. Es freut uns, dass junge Menschen Interesse an alter Technik zeigen.”

„Ein hundertjähriges Schiff mit Dampf! Dass es so etwas überhaupt gibt und dass es funktioniert! Die Hohentwiel fasziniert mich wie jede alte Technik. Auch das Rheinbähnle zum Beispiel”, sagt Conny Simma, die sich dem „Steampunk” zugeneigt fühlt – eine Bewegung, die ihre Wurzeln in den Romanen von Jules Verne und H. G. Wells hat und die Ära der Dampfkraft, der zahnradgetriebenen Mechanik, der viktorianischen Kleider und Abenteuerromantik zelebriert.

Hier an Bord hat sie mehr Verantwortung. „Es ist schön, gebraucht zu werden. Wenn ich die Dampfmaschine nicht drei Stunden vorher einheize, läuft das Schiff nicht aus. Die unterschiedlichen, langen Arbeitszeiten machen mir nichts aus.” Im Winter wird Conny Simma als Matrosin auf der Oesterreich arbeiten. Am schönsten findet sie es, wenn das Schiff den Hafen verlässt. „Da geht mir jedes Mal das Herz auf, dann muss ich breit grinsen. Wow, ist das schön, denke ich mir! Seitlich zu den Bullaugen sehe ich raus. Ich sehe nicht viel, aber ich höre das Signal und wie die Maschine läuft.”

 

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